Von allen Bestandteilen der Vegetation reagieren die Flechten am empfindlichsten auf Schadstoffbelastung der Luft. Die meisten Flechten überziehen von Natur aus die Stämme und Äste der Bäume, andere Arten auch Steine, nicht so viele Arten finden sich am Boden. Die zum Leben nötigen Nährstoffe nehmen die Flechten aus der Luft auf. Einige Arten – wie die Bartflechten – sind durch ihren Wuchs in Gestalt eines Gewirrs aus fadenförmigen Ästen darauf eingerichtet, die Feuchtigkeit des Nebels regelrecht "auszukämmen".
Besonders die auf Bäumen wachsenden (sog. epiphytischen, von griech. epi = auf und phyton = Pflanze) Flechten werden in hohem Maße durch Luftschadstoffe beeinträchtigt. Dabei reagieren die einzelnen Arten unterschiedlich sensibel: Manche sind sehr empfindlich, andere weniger. Eine hohe Artenvielfalt findet sich nur bei hoher Luftqualität. Seit dem 20. Jahrhundert hat man sich die unterschiedliche Empfindlichkeit der Flechtenarten zunutze gemacht für Kartierungen, die die abgestufte Luftqualität verschiedener Gebiete zeigten. So wurden im Innern von Städten "Flechtenwüsten" festgestellt, zur Peripherie der Stadt hin nahm die Artenzahl meist zu.
Die Euroregion Neiße war gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine großflächige "Flechtenwüste". Selbst inmitten von Wäldern fanden sich keine epiphytischen Flechten mehr oder nur sehr wenige, besonders resistente Arten.
Seit der Jahrtausendwende siedeln sich viele Flechten wieder an. Überall kann man mittlerweile junge Exemplare dieser seit Jahrzehnten verschollenen Gesellen entdecken: In Wäldern, in Parkanlagen, selbst mitten in der Stadt und im eigenen Garten.
Unsere Internetseiten sollen helfen, Flechten zu erkennen und zu verstehen, was sie uns über die Veränderung unserer Umwelt erzählen.
Cetrelia olivetorum s. l., 200 Jahre lang in der Euroregion Neiße verschollen, im November 2020 in der Görlitzer Heide wiederentdeckt